Mitgliederversammlung in Heideruh – und Überall

Am 24. Oktober fand die Mitgliederversammlung des Vereins Wohn- und Ferienheim Heideruh in Heideruh statt – und überall dort, von wo aus sich Mitglieder zugeschaltet haben. Denn aufgrund der aktuellen Situation wurde die Möglichkeit geschaffen, die Mitgliederversammlung vor Ort via Videokonferenz mitzuerleben und sich über Wortbeiträge und Abstimmungstool zu beteiligen.

 

  1. Politischer Bericht des Vorstandes
  2. Bericht Mitgliederversammlung (weiter unten)

 

1. Politscher Bericht des Vorstandes

Mitgliederversammlung in der aktuellen Situation

 

Seit der Mitgliederversammlung im März letzten Jahres gibt es ganz neue Herausforderungen, die für uns so vor kurzem noch nicht denkbar waren. Die Corona Pandemie hat die letzten acht Monate in Deutschland massiv bestimmt, viele Verwerfungen mit sich gebracht, Probleme offenbart, wichtige Fragen in den Hintergrund gedrängt und neue Herausforderungen an uns gestellt. Einen guten Mittelweg zwischen Infektionsschutz, Angst vor Isolation und politischer Teilhabe zu finden ist nicht leicht, umso mehr freuen wir uns darüber, dass wir eine Mitgliederversammlung abhalten können, auch wenn dieses Jahr nicht alle vor Ort dabei sein können.

Folgen der Corona-Krise

Um Diskussionen zu Corona, dazugehörigen antisemitischen Verschwörungstheorien und einem kaputtgesparten Gesundheitssystem sind wir wahrscheinlich alle nicht Drumherum gekommen – auch in Heideruh nicht. Wie auch leider viele andere fallen wir teilweise durch die staatlichen Notprogramme. Die sowieso schon angespannte finanzielle Situation wird durch die Auflagen weiter strapaziert. Wir haben uns mit anderen Linken Zentren in Hamburg zu einer gemeinsamen Spendensammlung zusammengetan und eigene Hilferufe veröffentlicht. Existenzielle Sorgen sind leider für viele antifaschistische Projekte durch Corona an der Tagesordnung. Es wird deutlich wie die Verarbeitung von Krisen im Kapitalismus von statten geht: Die Wirtschaft wird auf Kosten der Arbeiter*innen, die zusätzlich noch Gesundheitsrisikos ausgesetzt sind, hochgehalten, während das Vermögen der sogenannten ultrareichen Multimilliardäre sogar noch wächst. Der Mittelstand und ganze Branchen, wie der Kulturbereich haben die Last der Krise zu tragen, weil die Regierenden sie nicht ausreichend unterstützen. Den unterbezahlten Pflegekräften wurde vor wenigen Monaten mit Applaus gedankt und jetzt werden sie für ihre Streiks kritisiert. Der Gesundheitsschutz darf nicht auf dem Rücken von Beschäftigten ausgetragen werden!

Kein Platz für Verschwörungstheorien

Gleichzeitig gibt es eine immer größere Bewegung, die sich gegen die Corona-Maßnahmen stellt. Gemeint sind hier nicht Proteste, wie zum Beispiel die der Veranstaltungsbranche, die die mangelnde Unterstützung – leider ungehört und zu wenig – von staatlicher Seite anprangern. Stattdessen formiert sich eine Mischung aus Rechten, leider auch Linken, Esoteriker*innen, Reichsbüger*innen und Antisemit*innen, die ihre falsche Kapitalismuskritik auf die Straße bringt. Als Antifaschist*innen müssen wir uns in aller Deutlichkeit von antisemitischen Erklärungen und auch sozialdarwinistischen Lösungen, die menschenverachtende Gleichgültigkeit gegenüber Alten und Vorerkrankten propagiert, positionieren. Wir in Heideruh machen dies in aller Deutlichkeit. Kritik an Corona-Maßnahmen ist eine Sache, die große Verschwörung hinter der Pandemie zu sehen, ist die andere – und zwar die Falsche. Antifaschist*innen dürfen sich solcher Welterklärungen nicht gemein machen.

Unsere Antwort auf die Klimakrise: Heideruh nachhaltig

Durch die öffentliche Diskussion zu Corona befinden wir uns in einer schwierigen Lage. Die Krise deckt viele Probleme wie zum Beispiel im Gesundheitssystem auf und gleichzeitig verstummen so viele wichtige Kämpfe und Proteste.

Vor etwa einem Jahr gingen über 1 Millionen Menschen, meistens Jugendliche auf die Straße, um für einen Wandel der Klimapolitik zu demonstrieren. Die von Greta Thunberg initiierte Bewegung Fridays For Future schaffte es innerhalb kurzer Zeit, der Gesellschaft die Unumgänglichkeit klimapolitischer Ziele vor Augen zu halten. Die Mahnungen sind auch bei uns in Heideruh angekommen – „nachhaltig antifaschistisch“ wurde zum offiziellen Motto für dieses Jahr. Auf dem Parkplatz könnt ihr den Container für die neue Pellet- und Holzscheit-Heizung, in der Kantine neue Fenster, die Kühlung wurde erneuert und die Beleuchtung wurde in LED ausgetauscht. Wir wollen unseren Teil zu umweltbewusster Politik beitragen und hoffen auf weitere Erfolge der Klimabewegung, damit das Leiden von Menschen, Tieren und Natur unter den Folgen kapitalistischer Produktion ein Ende hat. Klimapolitik muss ein zentraler Aspekt linker Politik sein und darf nicht mehr als Nebenwiderspruch verhandelt werden.

Die Folgen des kapitalistischen Raubs an unserem Planeten sind alles andere als gleich verteilt. Unser Blick muss auf den globalen Süden gerichtet sein, in dem Menschen unter den Folgen westlicher Produktion und seinem Konsum leiden. Die Abholzung der Regenwälder, riesige Mülldeponien für Elektroschrott und die Plünderung von Ressourcen durch Konzerne sind eine Gefahr für Menschenleben in Südamerika, Afrika und Asien. Sie sind die Folge kolonialer Herrschaft und werden durch einen globalisierten Kapitalismus fortgesetzt. Diese Folgen sind überall sichtbar wie beispielsweise bei der Tragödie von Moria.

„Gesellschaft der Vielen“ statt Rassismus und Rechte Gewalt

Die Black Lifes Matter Bewegung in den USA prangerte den unerträglichen Zustand an dem Schwarze Menschen und Migrant*innen nicht nur in den USA begegnen: Armut, Ausgrenzung und Polizeigewalt. Der tief verwurzelte Rassismus wird von den Betroffenen immer sichtbarer gemacht und gerade über soziale Medien verbreitet. Die seitdem anhaltenden Proteste zeigen auch uns als mehrheitlich weiße Linke, wie sehr Selbstkritik und Nähe zu antirassistischen Kämpfen fehlen. Rassismus ist nicht nur ein Problem der AfD, sondern eine Herausforderung für uns alle – damit die Gesellschaft der Vielen nicht nur ein plakativer Anspruch bleibt. Wir müssen den Betroffenen zuhören, ihre Stimmen in den Vordergrund stellen, sowie selbst solidarisch und offen für Kritik sein. Gleichzeitig müssen wir weiterhin antifaschistische Bemühungen gegen den Rechtsruck verstärken. Die Zusammenarbeit von AfD, FDP und CDU in Thüringen zeigt eindrücklich, wie schnell die ausgerufene Brandmauer gegen Rechts fallen kann. Auch wenn die AfD sich zur Zeit ein Stück weit selbst zerlegt, ist sie damit nicht im geringsten verschwunden und das Problem rechter Gewalt ebenfalls kein bisschen eingedämmt. Die Anschläge von Halle und Hanau sind Ausdruck neuer Formen rechter und mörderischer Gewalt. Rassistische Radikalisierung über Foren im Internet in Verbindung mit tiefer Frauenfeindlichkeit und Antisemitismus animieren Menschen jenseits der bekannten Kameradschaftsstrukturen zu brutalen Morden, wie in Hanau und Halle, aber auch Christchurch, Ütoya und Pittsburg.

Gleichzeitig wird Antifaschismus immer weiter delegitimiert und bekämpft. Der Entzug der Gemeinnützigkeit der VVN-BDA ist ungeheuerlich. Gleichzeitig gibt es immer mehr Meldungen zu rassistischen Netzwerken in Polizei und anderen Sicherheitsbehörden: jeden Tag ein neuer „Einzelfall“ – kann man mittlerweile nur noch zynisch sagen. Anstatt diese Strukturen zu zerschlagen geht die CDU mit großer Unterstützung der SPD höchstens halbherzig dagegen vor. Als Antifaschist*innen dürfen wir uns nicht entmutigen lassen und müssen weiterhin laut und entschlossen bleiben.

Heideruh als Ort des Rückzugs, aber auch konstruktiver Debatten

Die in diesem Bericht angeschnittenen Krisen sind jede für sich eine riesige Herausforderung und hängen dennoch miteinander zusammen. Das Gefühl zu viele Brände gleichzeitig bekämpfen zu müssen macht sich schnell breit und kann in Hilflosigkeit, Überforderung und Überarbeitung enden. Wir brauchen Orte wie Heideruh, die der Vernetzung dienen, an denen alle Kraft tanken können und einen Rückzugsort haben. Wir können hier zwar nicht die Vielfachkrise lösen, aber einen Raum geben, der Sicherheit gibt und Debatten zulässt.

2. Die Mitgliederversammlung

Wesentliche Punkte der Mitgliederversammlung waren – nebst der Berichte des Vorstandes zu Finanzen und Rechenschaft sowie die politische Einschätzung mit anschließenden Entlastung – die Nachwahl von Vorstandsmännern und -frauen und die Diskussion um die Fortsetzung der Arbeit von Heideruh.

Neue Vorstandsmitglieder

Leider haben drei Vorstandmitglieder aus gesundheitlichen Gründen und aus Gründen der beruflichen Neuorientierung ihren Rücktritt aus dem Vorstand erklärt. Beiden wurde für ihre Arbeit gedankt und sie wurden mit Anerkennung für ihre Leistungen „entlassen“ 🙂 Erfreulicherweise haben sich drei neue Kandidatinnen gefunden, die sich mit neuen und eigenen Ideen zur Wahl gestellt haben und auch gewählt worden sind.

Finanzielle Situation

Wir dachten, Heideruh schafft es durch die Corona-Krise. Die Schließung im Frühjahr brachte zwar ein Einnahmedefizit von 45.000 €, aber der Herbst war gut gebucht. Zusammen mit Soforthilfe, Kurzarbeit, die Aufnahme von Wohnungslosen reduzierten das Minus, so dass wir annehmen konnten, es wäre ein letztlich doch noch gutes Jahr geworden.

Dann jedoch wurden die größten Buchungen im Herbst storniert! Heideruh ist damit zwar noch nicht zahlungsunfähig, aber es wird kaum möglich sein, über den Winter zu kommen. Zumal die Unsicherheit weiterer Stornierungen besteht und Corona-bedingte Schließungen zu erwarten sind.

Deshalb sind leider doch wieder Spenden notwendig. Wir beteiligen uns an der erfolgreichen Betterplace-Spendenkampagne „Rettung Linker Zenten in Hamburg“, wollen die aber nicht über Gebühr strapazieren, damit viele der kleinen Zentren gut über den Winter kommen. Wir bitten Euch zu spenden oder Gutscheine für Eure nächste Buchung vorzufinanzieren.

Eine weitere große Hilfe wäre die Bereitschaft kontinuierlich im Büro mitzuarbeiten. Heideruh hätte die Möglichkeit mehr öffentliche Förderung zu erhalten, aber dafür fehlt meistens die Zeit.

AG Entlastungskonzepte

Inzwischen wurde eine erfolgreiche Spendenkampagne gestartet und auch der „eigentlich“ – also ohne Corona – hohe Buchungsstand zeigt, dass die finanziellen Situation gerade nicht das Hauptproblem ist.

Das größere Problem ist die Überlastung der Menschen, die Heideruh gestalten und erhalten.

Sowohl Mitarbeitende, Vorstand und Geschäftsführung als auch Ehrenamtliche leisten tolle Arbeit! Gleichwohl hat sich die Situation, wie sie auf der letzten MV geschildert worden ist und zur Mach-Mit-Kampagne geführt hat, u.a. unter den oben genannten Bedingungen noch verschlimmert.

Geld fällt nicht vom Himmel und neue Ehrenamtliche und Mitarbeitende ebenso wenig. Es müssen neue Ansätze, neue Lösungen gefunden werden, um die Antifaschistische Erholungs- und Begegnungsstätte Heideruh aufrecht erhalten zu können.

In Vorbereitung der MV wurden den Mitgliedern drei Wege zur Diskussion gestellt: Weitermachen, Struktur erhalten, aber inhaltliche Ansprüche aufgeben oder abwickeln. Auf der MV schien nur der erste Weg diskutierenswert. Der Vorstand schlug vor, die Ruhezeit im Winter für eine Arbeitsgruppe zu nutzen, die konkret an Entastungskonzepten arbeiten soll: Aufgaben, Arbeitsabläufe, Angebote, Strukturen von Heideruh sollen auf den Prüfstand um Arbeit abzubauen und Finanzquellen zu erschließen. 12 Mitglieder fanden sich für die AG, die gleich am nächsten Tag ihr erstes Treffen durchführte.

Wir können gespannt sein, welche Neuerungen die AG der MV im Frühjahr 2021 vorstellen wird.

 

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