Ehrenvorsitzender Helmut verstorben

Ein unbeugsames Herz hat heute Morgen aufgehört zu schlagen!

Helmut Fleischhauer

18.8.1927 – 12.9.2022

Er ist 95 Jahre alt geworden. So, wie er es wollte. 

Wir gedenken einem Bergmann, Gewerkschafter, verfolgten Kommunisten, Gründer der Mieterinitiative Steilshop, Geschäftsführer der Antifaschistischen Erholungs- und Begegnungsstätte Heideruh 1989-2012 und Träger der Ehrennadel der Stadt Buchholz. 

Vorstand und Team

Wohn- und Ferienheim Heideruh e. V.

Erst vor einem Jahr wurde Helmut mit der Ehrennadel der Stadt Buchholz geehrt und wurde ihm zu Ehren in Heideruh eine Robbinie gepflanzt.


Bilder im Gedenken

Eine Collage mit Bildern der letzten 13 Jahre.

Liebe traurige Grüße 
Edith

Trauerrede Bea – Hommage an einen Kämpfer

Die Schwachen kämpfen nicht.

Die Stärkeren kämpfen vielleicht eine Stunde lang.

Die noch Stärker sind, kämpfen viele Jahre.

Aber die Stärksten kämpfen ein Leben lang.

Die sind unentbehrlich.

Bertolt Brecht

Liebe Helga, lieber Schwiegersohn, liebe Enkelin und liebe Urenkelin,
liebe Kameradinnen und Kameraden,
liebe Genossinnen und Genossen,
liebe Freunde und Freundinnen,
liebe Kollegen und Kolleginnen aus Heideruh,

Wir nehmen heute Abschied von Helmut  Fleischhauer, der kurz nach seinem 95. Geburtstag ohne großes Leiden in seiner Wohnung verstarb.

Es ist mir eine Ehre „unserem ständig freundlichen Helmut“ durch anerkennende Worte zu gedenken.

Helmuts Leben war geprägt vom politischen Kämpfen und Arbeiten für eine bessere Welt. Eingebracht hat er sich vor allem in Gewerkschaften, in der DKP, in der VVN und die letzten 31 Jahre in Heideruh. Dabei hat er Verantwortung nicht gescheut.

Wie kam es zu so einem politischen Leben?

1927 geboren in Bad Mergentheim im schönen Taubertal als jüngster von 6 Kindern – als einziger rothaarig – in eine Arbeiterfamilie. Erst war er Pimpf, dann kam 1943 die Marinesoldat-Ausbildung mit dem großen Glück nur auf einem kleinen Hafenschutzboot in Brunsbüttel abkommandiert zu werden. Trotzdem hat Helmut den Schrecken des Krieges erleben müssen, er ist ein paarmal haarscharf davongekommen und hat letztlich als 17jähriger das Ende des Krieges in britische Gefangenschaft erlebt. Dort arbeitete er u. a. auf Mienenräumbooten. Er konnte sich absetzen, weil er unbedingt seinen 18. Geburtstag in Mergentheim mit seiner Familie erleben wollte. Er hat es – mit viel Raffinesse – geschafft, sogar zwei Tage früher. Die Freude war groß – alle haben überlebt.

Eine Vielzahl von Berufen hat Helmut gehabt: Vom Maurer zum Club-Fahrer bei einem First Leutnants der britischen Armee um dann 1948 Bergmann in Walsum am Niederrhein zu werden.

Dort begann die Politisierung: Gute Gewerkschafter drängten ihn immer wieder einzutreten, diskutierten mit ihm den Zusammenhang des Krieges mit seiner Lebenssituation, benannten Nazis als die Schuldigen für Krieg und Faschismus. „Nie wieder Krieg!“ – Die Forderung war Helmut wichtig. Die aufmerksamsten Gewerkschaftskollegen gaben dann den Ausschlag, dass Helmut sich 1949 für die Mitgliedschaft in der KPD entschieden has, der er 73 Jahre treu bleib. Er ahnte nicht, was dadurch auf ihn zukam. Immer stärker wurde die Zusammenarbeit mit seinen SPD- und christlichen Kumpels durch antikommunistische Hetze vergiftet. Helmut wurde angegriffen, aber auch zum Betriebsrat gewählt.

Familie und Vaterschaft

Trotz seiner politischen Vollbeschäftigung entschied er sich 1949 eine Familie zu gründen: Er heiratete Anni und wurde Vater von Helga. Sein Leben lief in geordneteren Bahnen: der Schacht, die Gewerkschafts- und Parteiarbeit und die Familie – meist an letzter Stelle. Aber es gab auch gute Momente mit Helga.

1956 wurde die KPD verboten. Auch Helmuts Arbeit gegen die Remilitarisierung Deutschlands, für ein geeinigtes Deutschland und für Arbeitnehmerrechte ging unter verschärften Bedingungen illegal weiter. Im Schacht selber bestand weiter die Einheitsfront. 10 Jahre ist Helmut in den Schacht gefahren, die letzten Jahre allerdings als Gewerkschaftssekretär, der sich um die Kumpels kümmerte. Helmut wurde aus politischen Gründen gekündigt, erstritt vor Gericht eine Abfindung, die es ermöglichte mit einem eigenen Auto in Urlaube zu fahren – seine neue Leidenschaft.

Er konnte als Fahrer dem Bergbau treu bleiben. 1959 wurde Helmut gemeinsam mit 6 KPD- und einem SPD-Genossen angeklagt wegen Rädelsführerschaft, illegale Arbeit für die KPD, Verbindungen zu Organisationen in der Sowjetzone und zu 14 Monaten Gefängnis verurteilt. Zwei Jahre musste er bis zum Haftantritt warten, aber dann musste er 2/3 seiner Haftstrafe gemeinsam mit seinen Genossen in Kleve absitzen. Wegen guter Führung wurde er vorzeitig entlassen.

Danach änderte sich sein Leben. Die Ehe und Vaterschaft war zerrüttet, 1964 folgte die Scheidung und es dauerte Jahrzehnte, bis Vater und Tochter aufeinander zugehen konnten.

Illegale politische Arbeit und DDR

Die illegale Arbeit wurde immer schwerer, lange Arbeitsverträge hat Er nicht mehr erhalten. 1968 wurde er auf die Parteihochschule in der DDR delegiert.  Ein gutes Jahr für Helmut, in dem er sich auf das Studium des Marxismus Leninismus und der Ökonomie konzentrieren konnte.

Das Jahr DDR brachte wieder Stabilität. Er lernte dort Henny kennen und zog mit ihr nach Hamburg, arbeitete im Kaffee- und Tee Einzelhandel. Die beiden wurden Mitglied der ersten Stunde in der DKP und hatten das Ende der Illegalität genossen. 1973 hat Helmut seine erste Ausbildung abgeschlossen – als Kaufmann im Groß- und Außenhandel und startet eine Karriere in der Gewerkschaft HBV mit vielen SPD-Kollegen/innen als Angestellter der LVA.

Sein neues ehrenamtliches Betätigungsfeld ergab sich dadurch, dass er in eine der 24.000 Wohnungen in der Großsiedling Steilshop der GAGfah, einem gewerkschaftlichen Wohnungsunternehmen gezogen ist und eine der größten Mieterinitiativen Deutschlands mit aufgebaut hat. Die Mieterinitiative Steilshop existiert immer noch und arbeitet auf der Grundlage seiner Arbeit: Sozialen Wohnraum zahlbar und kulturell anspruchsvoll zu gestalten.

Geschäftsführer in Heideruh

Am 1.9.90 wurde Helmut 62jährig berentet. Er war Mitglied der VVN-BdA und darüber hat er Heideruh kennengelernt, diesen einmaligen widerständigen Ort im Wald bei Buchholz, indem sich antifaschistische Menschen aus der ganzen BRD versammeln um zu diskutieren, sich zu erholen, sich zu bilden und im Ehrenamt an den Widerstand erinnern. Henny und er waren fast jedes Wochenende hier. Er traf die Überlebenden des Widerstands gegen den Faschismus und war fasziniert. Diesen Vorbildern wollten sie ihre Rentenzeit widmen, sie zogen nach Schneverdingen. Helmut Fleischhauer war von 1989 bis Sommer 2011 ehrenamtlicher Geschäftsführer des Vereins Wohn- und Ferienheim Heideruh e. V. Alle Arbeiten (Verwaltung, Finanzen, Betreuung ehrenamtlicher MitarbeiterInnen und Gäste, die Organisierung Bildungsveranstaltungen, die Baumassnahmen, die Ausflüge) sind in dieser Zeit maßgeblich von Helmut Fleischhauer im Ehrenamt durchgeführt worden. Ein guter Ort um sein Alter selbstbestimmt zu gestalten. Die ersten Jahre gemeinsam mit Henny, die leider erkrankte und 2004 nach langer Pflege verstarb.

In Heideruh hat er eine wichtige Aufgabe übernommen, Anerkennung erfahren und dafür gesorgt, dass er nicht einsam altern musste. Bis zu den Lockdowns half Helmut noch im Frühstücksdienst und steuerte wertvolle Beiträge auf jeder MV bei.

Ich als seine Nachfolgerin als Geschäftsführerin kann sagen, dass es eine Meisterleistung ist, dieses vielschichtige Projekt Heideruh sowohl in der Wendezeiten, in Zeiten neuer Technologien, mit einer Veränderung des Bewußtseins für ehrenamtliche Arbeit und einem klaren Rechtsruck zu gestalten und zu verantworten.

Für diese Tätigkeit ehrte ihn die Stadt Buchholz mit der Ehrennadel.

Helmut war kein Typ der großen Worte, aber was er sagte hatte Gewicht.

Anpacken war eher seine Devise. Und wenn es Zeit ist abzugeben, dann ist er auch darin ein Meister gewesen.

Wir Kameradinnen und GenossInnen danken für Seinen Kampf, Seine Zeit, Seinen Mut, seine Freundlichkeit und Seine Art.

Seine Genossinnen und Genossen der DKP Harburg – Land gedenken unseres liebenswerten und unerschütterlich positiv denkenden Genossen

Das Team von Heideruh wird „unseren ständig freundlichen Helmut nicht vergessen. Er hat immer ein gutes Wort gehabt.“

Helmuts Leben war geprägt neben der politischen Arbeit von Reisen und … von Frauen und so verwundert es nicht, dass Helmut sDu dann Deine große Liebe Maria noch 80jährig in Heideruh gefunden hat – „Wertkonservative Frau traf Rote Socke und es funktionierte. 2012 zog er nach Buchholz um näher bei Maria und Heideruh zu sein. Und sie reisten – nach Kanada, an den Bodensee, seine Wohnung war gefüllt mit wunderschönen Fotos der Zweisamkeit. Er konnte geniessen, so auch die Zeit mit seiner Nichte, seiner Enkelin und seiner UrEnkelin. Welche Urenkelin kann erzählen, dass sie mit ihrem uropa auf der Reeperbahn war?

Die letzten Jahre waren leider geprägt – wie bei allen – von Corona und vom schmerzhaften Verlust von Maria vor drei Jahren. Er hat gehadert, ob er weiter will. Er hat sich dafür entscheiden, jeden Tag in Heideruh zu sein, gut zu essen – mit und später ohne sein Auto.

Mein besonderer Dank gilt Heinz und Silke und den KöchInnen in Heideruh, die zweieinhalb Jahre dafür gesorgt haben, dass Helmut jeden Tag in Heideruh essen konnte – bis zum letzten Tag.

Seine Worte sollen diese Erinnerung beenden:

„… Was ist von meinen Idealen geblieben? … Eine bessere Welt haben wir bestimmt nicht, Kriege ohne Ende, auch die BRD ist wieder dabei, … der Sozialabbau nimmt Formen an, die wir in den Gewerkschaften nie gedacht haben, die Armut nimmt zu, Mieten sind fast unbezahlbar und vieles anderes Negatives ist Alltag!

Also, alles umsonst? Nein! Ich weiß, eine bessere, humanistische Gesellschaft wird kommen müssen. Wie sie sich nennt, ich weiß es nicht?“

Zu seinem 90. Geburtstag schrieb er nicht nur seine Biografie, sondern auch folgende Abschiedsworte:

„Für den Fall, dass ich die Revolution in diesem hochgerüsteten Land nicht mehr bei lebendigem Leib erleben sollte und dieses Jahrtausens zu Ende geht ohne den sicheren Sieg des Sozialismus über Krieg und Barbarei, begrabt mich auf der Sonnenseite eines Waldes. Wenn ich die Revolution und den Weltfrieden noch am eigenen Leibe miterleben sollte. Dann weiß ich, dass sich die 90 Jahre Leben und 70 Jahre Kampf gelohnt haben.“

Das Grab auf der Sonnenseite eines Waldes können wir ihm ermöglichen …

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